Kulturelle Produktionen – in eigener oder kooperativer Trägerschaft – gehören bereits zur Tradition des IKMW. Vor allem im Ausstellungsbereich, aber auch interdisziplinäre Projekte im Schwerpunktbereich Kultur und Stadtentwicklung verfügt das IKMW bereits über sein Vorgängerinstitut über jahrzehntelange Expertise. Dieses Erfahrungs- und Handlungswissen kommt nun auch in internationalen Kooperationen zum Tragen.
Zu den großen Ausstellungsprojekten gehören die „Mythos dokumenta“-Ausstellung im CAFA Art Museum und Peking (2017), „Arnold Bode und seine Erben“ in der New Gallery of Art in Shanghai (2018) sowie Ausstellungs- und Konferenzprojekte im Rahmen der Reihe „Budapest x Berlin“. Aktuell wird in der Residenz der Deutschen Botschaft in Peking die in Kooperation mit der Zeppelin Universität Friedrichshafen und dem documenta-Archiv entstandene Kabinettausstellung „Joseph Beuys und die documenta“ gezeigt.
Timehouse: Where are we NOW?
Chinesisch-deutsche Ausstellung im Löwenpalais, Berlin
Am 31, März 2023 wurde im Löwenpalais, Berlin ein gemeinsames Ausstellungsprojekt der Central Academy of Fine Arts (CAFA), Peking, der Kunstakademie Düsseldorf, der Freien Universität Berlin, des Instituts für Kultur und Medienwirtschaft (IKMW) Berlin und der Kunststiftung Starke, Berlin, eröffnet.
Für zwei Wochen verwandelt sich das Löwenpalais in ein „Zeithaus“, in dem sich ein studentisches „Curatorial Team“ der Central Adademy of Fine Arts (CAFA) aus Peking auf die Suche nach seiner Gegenwart begeben hat. In fünf Themenräumen („Transition“, „Underground“, „Crisis & Survival“, „Repair and Healing“, „Dreams“) spiegeln sich in den unterschiedlichen künstlerischen Positionen und Formaten von Video über Installation, Fotos, Poster bis hin zu Objektkunst Welt-Ansichten und Lebensgefühle der viel zitierten „Generation Z“.
Eingeladen wurden 48 zumeist junge Künstlerinnen und Künstler aus China, aber auch der internationale Nachwuchs der Düsseldorfer Kunstakademie. Diese Ausstellung ist sowohl in ihrer Entstehung als auch Realisation ein Experiment der besonderen Art in post-pandemischen Zeiten – „Distance Curating“ unter akademischer Anleitung und Betreuung über 10.000 km hinweg: Teams, Künstler und ein Ort, in dem man sich nie physisch begegnet ist, in dem sich nur das Team der Düsseldorfer Kunstakademie und die Hochschullehrer analog bewegt haben.
Zum ersten Mal wird in dieser deutsch-chinesischen Produktion das gesamte Löwenpalais von der Lounge über den Keller bis zu den drei traditionellen Ausstellungsräumen hin bespielt. Zur Ausstellung wird ein Booklet erscheinen, das das „Making of“ der Ausstellung sowie die Künstlerliste enthält.
Die Ausstellung ist bis 15. April 2023 von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Adresse: Kunststiftung Starke, Löwenpalais; Königsallee 30-32; 14193 Berlin. https://stiftungstarke.de/
Einen lebendigen Eindruck von der Eröffnung der Ausstellung gibt eine Reportage im Youtube-Kanal der in Berlin lebenden Koreanerin Moon Suk:
Lehre und Weiterbildung
Das Kernteam des IKMW verfügt aus der Zeit des Vorgängerinstituts IKM über jahrzehntelange Lehr- und Weiterbildungserfahrung an deutschen wie internationalen Universitäten, Akademien und Hochschulen. Das disziplinäre Spektrum reicht von Geisteswissenschaften (Germanistik, Theaterwissenschaft), Kultur- und Kommunikationswissenschaften bis hin zu Kultur- und Medienmanagement.
Ein Schwerpunkt der Weiterbildungsangebote liegt im Bereich der Nachwuchsführungskräfteentwicklung in Deutschland und Asien, gemeinsam mit Partnern wie der Central Academy of Fine Arts (CAFA) in Peking und der National University of Mongolia in Ulan Bator.
Lehre an Hochschulen (Auswahl)
Freie Universität Berlin
Central Academy of Fine Arts Beijing
Popakademie Baden-Württemberg, Mannheim
Theaterakademie Shanghai
New York University
Im Labor der Moderne
„Modernity – Postmodernity – Contemporary“ – Online-Seminar mit Exkursion und Ausstellungsprojekt an der CAFA Beijing
Es gehört seit 2021 zur guten Praxis, die rund 40-stündigen Online-Seminare an der Central Academy of Fine Arts (CAFA) experimentell zu erweitern. Multimedialer Medieneinsatz, Exkursionen in den Berliner Stadt- und Kulturraum, anschließende Ausstellungsprojekte („distance curating“), Live-Schalten in andere europäische Metropolen (z.B. Budapest) sowie begleitende wöchentliche WeChat-Exkurse oder -Sprechstunden zählen mittlerweile zum didaktisch-szenischen und inhaltlichen Grundrepertoire dieser internationalen Seminare.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass solcherart aufwendige Seminar-Produktionen trotz widriger Rahmenbedingungen auf Seiten der chinesischen Studenten (Homeschooling in der elterlichen Wohnungen in über ganz China verteilten Wohnorten) so etwas wie Nähe, Teambuilding, Interaktion, selbstverantwortliches Arbeiten ermöglichen.
Akademisch-wissenschaftlicher Anspruch in den interdisziplinär und multimedial aufbereiteten kulturgeschichtlichen und theoretischen Hauptteilen, ergänzende, mit Handycam live gesendete „Vor-Ort“-„Sendungen“ aus Berliner und Budapester Kultureinrichtungen mit vorgeschalteten Stadtraum- und Quartierserkundungen sowie das weiterführende Ausstellungsprojekt „Timehouse: Where are we NOW?“, das wesentliche Fragestellungen, Reflexionen, Erkenntnisse des Seminars in einen dreimonatigen kuratorischen Prozess in einer Ausstellung im Löwenpalais, Berlin Grunewald, mit einem 15-köpfigen chinesischen Studententeam umsetzen wird, verlangen von der professoralen Seite ein lehrendes und szenisch-dramaturgisch gestaltendes Produktionsteam.
Zusammen mit Achim Müller (IKMW) und unserem Budapester Partner Daniel Ongjerth verbindet ein solches Seminar-Projekt traditionelle Seminarbausteine mit film-, fernseh-, video- und podcast-ähnlichen Produktions- und Sendeelementen sowie künstlerischen Live-Formate etwa der Aktions- und Konzeptkunst („scripted events“ -> Happenings). Zugleich bedeutet das für die studentische Seite eine praxisnahe Einführung in elementare organisationspsychologische, manageriale und kommunikative Prozesse (Gruppenbildung, Gruppendynamik, Arbeiten in Matrixstrukturen, Reporting-/Berichtswesen u.ä.).
Trotz aller Widrigkeiten, psychomentalen und physischen Belastungen kann mit einfachstem technisch-medialen Aufwand (Zoom, Handy-Kamera, Tablet) in einer Art „Akt des Fingierens“ eine erweiterte, intensive und internationale Erfahrungsatmosphäre geschaffen werden, die jetzt, aber auch in naher Zukunft aus den verschiedenen Gründen analog nicht möglich wäre. Die „Timehouse“-Ausstellung wird dagegen physisch am 31. März 2023 um 19 Uhr im Löwenpalais Berlin eröffnet.
Kulturell-mediale Bildung
Das IKMW entwickelt Kreativ-Formate und Projekte an der Schnittstelle von kulturell-medialer Bildung, Deutsch als Fremdsprache sowie Jugendaustausch und Integration. Über die bereits vielfach in nationalen und internationalen Projekten durchgeführten (analogen) Formate – wie dem DaF-Dokutheater und DaF-Tanztheater – hinaus, realisieren wir zielgruppenspezifische, ‚maßgefertigte‘ Projekte im Bereich des hybriden und digitalen Lernens.
Ein inhaltlich breit gefächertes Netzwerk aus Kulturmanagern, Kunst- und Medienschaffenden sowie Lehrkräften erarbeitet didaktische Materialien, Workshops für Lehrerinnen und Lehrer, Studierende, Schülerinnen und Schüler. Sie werden in Kooperation mit Partnerorganisationen (z.B. Goethe Institute , Stiftung Mercator, DTJB, PASCH) sowie schulischen und universitären Bildungseinrichtungen im In- und Ausland umgesetzt. Die wissenschaftliche Evaluation ist optional Bestandteil unserer Projekte.
Nicht nur für Lehrer/innen
Lernmaterialien und ausgewählte Originaltexte der Widerstandsgruppe ‚Die Weiße Rose’ zum Projekt ‘Sophie Scholl – Geschichte(n) der Zivilcourage’
Durch einen Seiten-Ausgang des Sophie-Scholl-VR-Museums gelangt man in die VR-Lernumgebung ‘Blick in die Freiheit’: Hier finden sich Auszüge aus den Lehrmaterialien zum Thema Zivilcourage, die von den Projektleitern für die Lehrer-Workshops, die Kickoffs und virtuellen Sommercamps in Südamerika und Südosteuropa eigens für das Projekt entwickelt und zusammengestellt wurden. Sie bildeten auch die Grundlage für die verschiedenen Kreativ-Impulse und Aufgaben zur Projektpatin und zum Thema ‘Zivilcourage’ für die Kreativ-Beiträge der Jugendlichen, die in den einzelnen Phasen des Projekts entstanden und im Museum ausgestellt sind.
Vom Goethe Institut Athen in Auftrag gegeben, wurde die Lernplattform von unserem Medienreferenten aus dem Scholl-Projekt Matthias Baumann gestaltet. Natürlich können die Besucher von dort aus wieder ins Museum zurückkehren und ihren Rundgang fortsetzen.
Ein innovatives Format zur Sprachförderung mit kreativen Mitteln
40 Jugendliche aus Partnerschulen des Goethe-Instituts aus Lima stellen in einer einstündigen Tanztheater-Performance, die in nur vier Tagen entstand, einem begeisterten Publikum ihre Sichtweise auf ihr Heimatland vor. Vom 1. bis 4. August 2022 fand am Goethe-Institut Lima die Präsenzphase des Pilotprojekts mit dem Titel ‘Erzähle mir, Peru’ statt. Eine Woche zuvor waren die Deutschlernerinnen und -lerner im Alter 12 von bis 18 Jahren in zwei einstündigen Online-Kickoff-Treffen in die Thematik eingeführt worden, um im Anschluss ihre Ideen, Texte, Filme und Musik auf einem Padlet zusammenzutragen, das zur Grundlage der Arbeit mit dem Referententeam wurde.
In den Choreographien, die der Münchener Community-Dance-Experte Josef Eder gemeinsam mit zwei Tänzern des ‘Ballet San Marcos Lima‘ und den Jugendlichen entwickelte, und den Theaterszenen von Stephan Reischl wurden die Besonderheiten, Schönheiten, aber auch die gegenwärtigen Herausforderungen des Landes thematisiert: Korruption, Kriminalität, Gewalt gegenüber Frauen, Unterdrückung von Minderheiten. Es entstanden sehr persönliche, berührende Einblicke, welche die Jugendlichen auf die Bühne brachten.
Für 2023 ist geplant, Projekte im Format ‘Erzähle mir, …’ in anderen Ländern und Regionen fortzusetzen. Für die Dokumentation und Präsentation der Projektergebnisse entsteht eine eigens entwickelte VR-Online-Plattform.
Forschung und Publikationen
Das IKMW führt empirische Forschung im Kultur-, Medien- und Bildungsbereich durch. Das Forschungsspektrum reicht dabei von der Besucher- und Kulturnutzerforschung über Kulturmarktforschung in nationalen und internationalen Kontexten bis hin zu Machbarkeitsstudien für Projekte und kulturelle Infrastruktur, Branchenstudien und Potenzialanalysen sowie Forschung zu Medienentwicklung / Medienkulturen. Dazu gehören insbesondere auch Studien an der Schnittstelle von Kultur, Technologie, Organisationsentwicklung und kultureller Kommunikation/Vermittlung (s. TADE 21). Ausgewählte Studien werden regelmäßig publiziert.
Klaus Siebenhaar, Achim Müller: Real time Extended reality Applications and Languages to Innovate creative industries‘ Narratives – Impact Study and Policy Recommendations. Berlin 2022.
Klaus Siebenhaar: Schlesinger-Affäre: So schafft man sich selbst ab. Berliner Morgenpost online, aktualisiert 15.08.2022.
Klaus Siebenhaar: Cosmos Beuys. Art – World View – documenta. Berlin 2022.
Klaus Siebenhaar: Traum von der Teilhabe. Was Kulturinstitutionen zur Erhöhung ihrer
Reichweite leisten können – und was nicht. In: Museumsjournal, Ausgabe 3/22.
Klaus Siebenhaar: documenta. Die Geschichte der Weltkunstausstellung. Berlin 2022.
Achim Müller, Klaus Siebenhaar: Kassel, seine städtischen Museen und ihr Publikum. Eine vergleichende Besucherstudie, Berlin 2020.
Klaus Siebenhaar, Achim Müller: Unternehmerische Kulturförderung in Deutschland, Berlin 2019.
Klaus Siebenhaar, Achim Müller: Opernsänger mit Zukunft! Karriereaussichten für Nachwuchssänger im deutschen Kulturbetrieb – Analysen, Erfahrungen, Empfehlungen, Gütersloh 2019.
Gunnar Bender, Ralf Herbrich, Klaus Siebenhaar (Hrsg.): Mit Optimismus in die Zukunft sehen. Künstliche Intelligenz – Chancen und Rahmenbedingungen. Berlin 2018.
Klaus Siebenhaar, Achim Müller: Bildung für die Praxis. Studiengänge für die Berliner Musikwirtschaft, Berlin 2018.
Achim Müller, Klaus Siebenhaar: European Theatre and the Public. Development, Orientations and Evidence, Berlin 2016.
Klaus Siebenhaar: Auftrag Publikum. Der Hochkulturbetrieb zwischen Audience Development und Ereignisästhetik, Berlin 2015.
Bürger-Stimmen – People’s Voices
Die documenta fifteen spaltet die Öffentlichkeit wie kaum ein anderes Kunstereignis: Einer sehr kritischen, bisweilen skandalisierenden Medien-Öffentlichkeit steht ein von Besucher-Neugier, -Aufgeschlossenheit und -Forscherdrang geprägte Öffentlichkeit „vor Ort“ in Kassel gegenüber.
Anlass genug, im Auftrag und mit Unterstützung des „Bürgerbündnis documenta fifteen“ diese Besucher- und Bürger-Stimmen in und aus Kassel in Interviews, Reportagen, essayistischen Texten auf einer kuratierten Website zu Wort kommen zu lassen. In den beiden letzten documenta-Wochen und in den folgenden Monaten wird erstmalig eine Art „Bürger-Buch“ als Work-in-Progress entstehen.
Faszinosum und Kontroverse
Ausstellung und Diskussion zur documenta
Es war ein besonderer documenta-Abend im Löwenpalais der Kunststiftung Starke im Berliner Grunewald, der Kassel mit Peking und der deutschen Hauptstadt verbunden hat.
Die dokumentarische Ausstellung „documenta goes China 2017-2022“ bildete den Rahmen für die Diskussionsrunde zur aktuellen Situation der documenta fifteen.
„documenta goes China“
Die mit Fotos, historischen Filmsequenzen und Trailern kuratierte Pop-Up-Ausstellung vermittelt anhand von drei sehr unterschiedlichen Projekten ein Stück Rezeptionsgeschichte der documenta in China: die bislang größte historische Schau zur Geschichte der Kasseler Weltkunstausstellung, „Mythos documenta. Arnold Bode und seine Erben“, 2017 im CAFA Museum in Peking auf über 3.000 qm gezeigt, hatte mit hunderten von Objekten, Materialien und Fotos aus dem documenta Archiv in Kassel hatte erstmals für ein weitgehend junges chinesisches Publikum die documenta in ihren Voraussetzungen, künstlerischen Entwicklungslinien, kuratorischen und edukativen, aber auch zeitgeschichtlichen Zusammenhängen präsentiert. Weit über 30.000 Besuche in vier Wochen dokumentieren das große Interesse, das auch in der für Shanghai neu zusammengestellten Version zu verzeichnen war. Die von Klaus Siebenhaar (für die Freie Universität Berlin) und Yu Ding (Central Academy of Fine Arts (CAFA), Peking) verantwortete Ausstellung gilt innerhalb der chinesischen Curatorial Studies als Musterbeispiel einer forschungs- und archivbasierten Ausstellungspraxis.
Wie auch die beiden bereits unter Pandemiebedingungen in der Residenz der Deutschen Botschaft in Peking im September 2021 eröffnete Doppelausstellung „Joseph Beuys und die documenta“/“Cosmos Beuys“ sowie das große documenta fifteen-Seminar im Juni / Juli 2022, das von den chinesischen Studierenden in eine Ausstellungsmontage verwandelt wurde, vermittelt sich über diese von Dimensionen wie Formaten sehr unterschiedlichen documenta-Vorhaben drei wesentliche chinesische Rezeptionshaltungen:
1) Die kontemplativ-heilende Kraft der Kunst, ihre ästhetische wie emotionale und soziale Wirkungsmacht in inszenierten Innen- wie Außenräumen.
2) Die Transformation einer ganze Stadt über künstlerische Interventionen: Kassel als „exhibition hall“.
3) Die positive Vereinnahmung, die aktive individuelle wie kollektive Rolle der Besucher und die daraus entstehenden „Atmosphären“.
Alle drei Ausstellungen dokumentieren die geographische Verbindung Kassel-Berlin-Peking, sie basieren auf der kontinuierlichen Kooperation zwischen Institutionen der drei Städte: Freie Universität Berlin, Institut für Kultur und Medienwirtschaft Berlin, documenta Archiv Kassel, Central Academy of Fine Arts (CAFA) Peking, sowie der Deutschen Botschaft in Peking.
Und für alle drei Projekte gilt, dass sie mit deutschen und chinesischen Studierenden realisiert wurden.
Der politische Dialog: Klaus Siebenhaar im Gespräch mit Hans Eichel
Hans Eichel hat als Kasseler Oberbürgermeister, hessischer Ministerpräsident und deutscher Finanzminister über Jahrzehnte aktiv und direkt die documenta begleitet, Kontroversen, Konflikte und Krisensituationen zu bewältigen gehabt. Gerade als Politiker waren für ihn dabei die Unabhängigkeit der künstlerischen Leitung und die künstlerische Freiheit im allgemeinen immer unantastbar und verbindlich. Die Auseinandersetzungen um Walter de Marias „Erdkilometer“, der Auftritt der „Staatskünstler der DDR“ oder die Beuysschen „7000 Eichen“ blieben stets als Bürgerproteste im kunstpolitischen Kontexten, ließen sich über Diskussionen und Kommunikation entschärfen und „einfangen“. Die Skandalisierung der Antisemitismusvorwürfe stellen in ihrer Unfähigkeit zum Dialog, ihrer „Hermeneutik des Verdachts“ (Armin Nassehi) ein Novum dar. Für Hans Eichel wie für Klaus Siebenhaar tragen auch die ideologisch zugespitzte „Blasenbildung“, die zum Teil gewollte Unschärfe zentraler Begriffe (Rassismus, Antisemitismus, globaler Süden) und die komplexen weltanschaulichen Kontexte (French Theory, angewandter Postmodernismus, Postcolonial Studies u.ä.) erheblich zu polemischen Zuspitzungen, Empörungswellen, Simplifizierungen bei.
Einig waren sich beide in der Zukunft der documenta: Die documenta 16 findet 2027 in Kassel statt, und sie darf organisatorisch wie inhaltlich nicht im Rahmen staatlicher Bevormundung und Intervention im Stil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Stil des „betreuten Kuratierens“ (Siebenhaar) realisiert werden.
Die Diskussion schloss mit einem engagierten Plädoyer beider Redner dafür, auch im Konflikt die künstlerische Freiheit zu wahren. Konflikte und notwendige Debatten mit Haltungen wie denen des indonesischen Kollektivs ruangrupa, dem die künstlerische Leitung documenta fifteen übertragen wurde, sollten auf der Basis gegenseitigen Respekts und friedliche Koexistenz ausgetragen werden, nicht aber in politische Einflussnahme und uninformierte und unreflektierte Paternalisierung münden.